International Employment
Europäische Union: Arbeitnehmerentsendung und Sozialversicherungspflicht
Wird ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber
für einen begrenzten Zeitraum in einen anderen
Mitgliedstaat entsandt, um dort eine Tätigkeit
für Rechnung dieses Arbeitsgebers auszuführen
(Tätigkeitsstaat), so unterliegt der Arbeitnehmer
gemäß Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004
in der durch die Verordnung Nr. 1244/2010
geänderten Fassung weiterhin den Vorschriften
über die soziale Sicherheit des Herkunftsstaates,
wenn
• der Arbeitgeber in dem Herkunftsstaat
gewöhnlich tätig ist,
• die voraussichtliche Dauer der auszuführenden
Tätigkeit in dem Tätigkeitsstaat 24 Monate
nicht überschreitet und
• der Arbeitnehmer am Tätigkeitsort nicht eine
andere Person ablöst.
In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof
Österreich den Gerichtshof um
Erläuterungen zu den Unionsvorschriften über
die Koordinierung der Systeme der sozialen
Sicherheit und insbesondere zur Bindungswirkung
der A1-Bescheinigung ersucht.
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)
stellte im Urteil vom 6. September 2018 fest,
dass ein entsandter Arbeitnehmer, wenn er
einen anderen entsandten Arbeitnehmer ablöst,
unter das System der sozialen Sicherheit am
Arbeitsort fällt. Dabei spielt es keine Rolle,
ob die Arbeitgeber der beiden betreffenden
Arbeitnehmer ihren Sitz im selben Mitgliedstaat
haben oder ob zwischen ihnen personelle oder
organisatorische Verflechtungen bestehen.
Entscheidend ist damit zukünftig, ob ein entsandter
Arbeitnehmer einen anderen entsandten
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Arbeitnehmer ablöst. Ist das der Fall, unterliegt der
ablösende Arbeitnehmer den Rechtsvorschriften
über die soziale Sicherheit am Tätigkeitsort.
Unerheblich ist also, ob beide Arbeitnehmer
(ablösender und abgelöster) von demselben
Arbeitgeber entsandt wurden.
Ferner stellte der EuGH fest, dass eine
A1-Bescheinigung über die Eingliederung des
Arbeitnehmers in das System der sozialen
Sicherheit des Herkunftsmitgliedstaats binde,
solange sie von diesem Staat weder widerrufen
noch für ungültig erklärt worden ist, außer im
Fall von Betrug oder Rechtsmissbrauch, sowohl
die Träger der sozialen Sicherheit als auch die
Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die Arbeiten
ausgeführt werden.
Weiter entschied der Gerichtshof, dass eine
A1-Bescheinigung Rückwirkung entfalten kann,
auch wenn zum Zeitpunkt ihrer Ausstellung der
zuständige Träger des Mitgliedstaats, in dem
die Tätigkeit ausgeübt wird, bereits entschieden
hatte, dass der betreffende Arbeitnehmer
der Pflichtversicherung dieses Mitgliedstaats
unterliegt.
Diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs
bindet in gleicher Weise andere nationale
Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem
befasst werden.
(Quellen:
• EuGH-Pressemitteilung Nr. 126/18 vom 6. September 2018 zum Urteil
in der Rechtssache C-527/16
• Helge Freyer, EU - Arbeitnehmerentsendung und Sozialversicherungs-
pflicht/EuGH verschärft das Ablöseverbot; GTAI, 11.09.2018)